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Texte aus den Bulletins des Instituts u.a.

Update: 10. Juni 2018

Unmenschlicher Umgang mit Invaliden in der Schweiz

Die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit ist unverständlicher- und undemokratischer Weise in der Schweiz eine Aufgabe der Versicherungen bzw. der Justiz. Die behandelnden Ärzte dürfen die Erwerbsfähigkeit gesetzlich nicht beurteilen und haben kaum Einfluss auf den Prozess.
Es ist aber auf Grund der bio-psycho-sozialen Wirklichkeit, die eben auch die entsprechende Methode verlangt (bio-psycho-sozialer Krankheitsbegriff) durchaus unerfindlich, wie es möglich ist, dass die Justiz bei einer so klar medizinischen Aufgabe wie der Beurteilung von Arbeits- und Erwerbsfähigkeit die Medizin entmündigt und mit einem veralteten und untauglichen Krankheitsbegriff operiert. So hat mir Bundesrat Berset in einem Brief mitgeteilt, dass wir in der Schweiz eben einen "leistungsorientierten" Krankheitsbegriff hätten. Nach meiner Überzeugung gibt es nur einen medizinischen Krankheitsbegriff, und auf den haben die Patienten Anspruch. Was sich die Justiz hier erlaubt ist ein klarer Übergriff und erweist sich in der Praxis als Pfuscherei mit entsprechenden Folgen für die Patienten, die durch diese juristischen Tricks nicht nur ihre Rente verlieren, sondern auch ihre Würde und ihren Glauben an den Rechtsstaat, sowie ihren Lebensmut, q.e.d.  –  Bundesrichter Meyer weist die Ärzte an: "Der betroffenen Person muss klar gemacht werden, dass sie zwar aus medizinischer Sicht krank und arbeitsunfähig ist, es aber aus juristischer Sicht nicht sein soll." (Meyer, 2009). Damit verlässt das Bundesgericht seinen unabhängigen Status und unterstützt die Spar-Interessen des Nationalrates. Der dominante autoritäre Gesellschafts-Charakter (E. Fromm) der Mehrheit der politisch Massgeblichen verhöhnt die Kranken, die einer finanziellen Hilfe bedürftig sind und lässt sie die Kranken und erwerbsunfähigen Menschen im sozialen Elend allein. Sie rechtfertigen Tausende von Rentenverweigerungen durch Promille von Betrügern. Bundesrichter Meyer dazu: "Rentenverweigerung heilt die Neurose." Wer nicht allen Willen zur Überwindung seiner psychischen Symptome aufbringe, müsse besonders "bei charakterlich Minderwertigen das Mass des Erforderlichen objektiv bestimmt werden." (Meyer, 2010, 2014) Der Schweizerische Gesellschaftscharakter beginnt sich gefährlich am Gesellschaftscharakter 1933 in Deutschland anzunähern.

Ich frage ich ernstlich, wieso es sich die Ärztegesellschaften der Schweiz gefallen lassen, dass sie ihre massgebliche Kompetenz durch Winkelzügen aus der juristischen Trickkiste entmündigen lassen. Die juristische Anmassung von medizinischer Kompetenz (Beurteilung von pathologischen Befunden) ist nichts anderes als Amtsanmassung unter dem Deckmantel des Bundesgerichts. Der autoritäre Staat hat im technokratischen Faschismus mit dem lächelnden Gesicht von Bundespräsident Berset sein Ziel erreicht: Die Sparpolitik hat gesiegt, die Patienten konnte man loswerden, sie landen in der Sozialhilfe.

Werner A. Disler

 

 

 

 

 

Neuerscheinung 1. Februar 2017:

W.A. Disler: Lehrbuch Band 2: Ich, Selbst und meine inneren Objekte.
Intersubjektivität - Persönlichkeitsspezifische Therapieformen.
Berlin, Pro BUSINESS 2017 (book ondemand)

 

Neuerscheinung Januar 2016: Am Anfang war Beziehung. Siehe unter "Publikationen"

Neuerscheinung November 2015: Werner A. Disler: "Ich, Selbst und meine inneren Objekte". Lehrbuch der selbstpsychologischen Imaginationstherapie.
Band 1, 540 Seiten, Neuauflage desLehrbuches von 1998. Pro BUSINESS-Verlag book-on-demand, Berlin 2015

Neuerscheinung Mai/Juni 2015: W.A.Disler: C.G.Jungs kritische Theorie. Die bisher unbemerkte Gesellschaftskritik im Werk von C.G.Jung. 238 Seiten,IKTS Zürich, bestellbar auf dieser Website oder unter Book on demand, Berlin.

Neuerscheinung Nov. 2014: W.A.Disler: Das Verlangen gestalten. Selbstpsychologische Alltagsphilosophie. Edition Occidente, München
ISBN: 978-3-9815153-5-0

 

2013 W.A.Disler: KLEINE TRAUMA- und BORDERLINE-FIBEL. Zürich: IKTS, 2013, 54 Seiten. Für Trauma- und Borderline-Geschädigte zur Selbstreflektion geschrieben.

Disler stellt dar, wie die traumatischen Beziehungs-Erfahrungen in früher Kinderzeit im Kinde eine Opfer- und eine Täterposition implantieren. Das Kind hat nach dieser doppelten Modell-Implantierung später die problematische Programmierung, auf frustrierende Erlebnisse im Opfer-Modell zu leiden, was dann ins Täter-Modell umschlägt, und ohne es zu wissen, reagiert die betroffene Person wie jene Täter-Persönlichkeit, der sie die Implantierung von Gewalt, Verachtung, Vernachlässigung oder Verlassenheit verdankt. Ohne Erinnerung an diese Implantierung keine Heilung!

 

Das unten ausgeschriebene Symposium behandelte neue Erkenntnisse um die
Dreissiger Jahre, in denen von verschiedenen Seiten C.G.Jung negativ in die
Schlagzeilen geriet.
Werner A. Dislers Vortrag enthält eine Zusammenfassung seiner Schrift "Freud,
Jung, der Nationalsozialismus und die Intersubjektivität" (2007/2010). Es ist
eine Kritik an der Entrüstungspsychologie und eine Darstellung von Texten, die
Jung in jener Zeit schrieb, und die in sich selbst eine Kritik der Gleichschaltungs-
Politik Hitlers enthalten.

C.G. Jung in den DreissigernJung Bild 2____________________________________________________________________________

ZUR ZEIT ENTSTEHT AUS DER FEDER VON WERNER A. DISLER EINE NEUE SCHRIFT UNTER DEM TITEL:

SPEZIELLE THEORIE DER RÄTSELHAFTEN BOTSCHAFTEN

Dies ist eine Fortsetzung der Allgemeinen Theorie der rätselhaften Botschaften, mit Untersuchungen zu kritischen Theorien der Psychoanalyse und der Pädagogik einerseits sowie einer Hinterfragung jener Theoretiker, die die Psychoanalyse im Elfenbeinturm der Fantasie zelebrieren wollen, wie André Green, der die aktuellen Forschungsresultate der Psychoanalyse offenbar weder integrieren noch verdauen kann.

BEREITS ERSCHIENEN:

ALLGEMEINE THEORIE DER RÄTSELHAFTEN BOTSCHAFTEN

ES HANDELT SICH UM EINE NEUE KRITIK DER RÄTSELHAFTEN GRUNDHALTUNGEN VON SIGMUND FREUD, SEINER TOCHTER ANNA FREUD, VON MELANIE KLEIN UND ANDEREN, DIE AUCH HEUTE NOCH DIE PSYCHOANALYSE PRÄGEN. AUSSERDEM ERFOLGT EINE ANWENDUNG DER THEORIE LAPLANCHES ("RÄTSELHAFTE BOTSCHAFTEN") AUF DESSEN EIGENE THEORIE.

EINE KRITISCHE WÜRDIGUNG DER AUSEINANDERSETZUNGEN ZWISCHEN DER FREUDSCHEN ORTHODOXIE UND DER SELBSTPSYCHOLOGIE/OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIE/BINDUNGSFORSCHUNG/SÄUGLINGSFORSCHUNG ANDERERSEITS.

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Am Schluss dieser Seite finden Sie den Text des Bulletins Nr. 17: C.G. Jung und die Intersubjektivitätstheorie.

Im Anschluss an dieses Bulletin hat W.A. Disler sich unter der Überschrift "Freud, Jung, der Nationalsozialismus und die Theorie der Intersubjektivität" mit der ewig repetierten Frage nach Jungs Haltung zum Nationalsozialismus beschäftigt und versucht, zu belegen, dass Jungs Schriften um 1918 bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges zur Geisteshaltung der NSDAP und der vorgängigen "wissenschaftlichen" Propaganda für Sozialdarwinismus und Eugenik im klaren Gegensatz standen. Auf der anderen Seite aber stehen gewisse Äusserungen Jungs um 1933/34, die zu erklären hier ein Ansatz versucht wird.

Es ist heute unverständlich, dass es bisher niemand in den Sinn gekommen ist, Jungs wissenschaftliche Texte in der Zeit der nationalsozialistischen Gleichschaltung auf nazi-freundliche Stelen hin zu lesen. Man würde erkennen, dass Jungs Formulierungen jeglicher Gleichschaltung diametral entgegengesetzt sind. Statt dessen widerkäuen gewisse Autoren die immer gleichen Stellen, ohne nur ein bisschen Licht in die Angelegenheit zu bringen.

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Die Schweizerische Gesellschaft für Psychotherapie SGP-SSP führt in Winterthur im Eysenck-Institut Lindbergstrasse 15, 8404 Oberwinterthur, bzw. im Technorama Winterthur folgende Veranstaltungen durch:


Monatlicher Sonntags - Talk
, Beginn 10.00 Uhr

Infos unter www.sgp-ssp.org

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MITTEILUNG IN NICHT-PROFESSIONELLER SACHE:

Das IKTS hat am 12. Mai 2007 unter dem Oberbegriff: "Lebensphilosophie" dem Ristorante "Bottegone del Vino" in Lugano als Ehrung für dessen hervorragende Ess- und Weinkultur die Titel "Best Location in Town" sowie "Bestes Weinrestaurant des Kantons Tessin" verliehen. Die Versammlung von 20 Mitgliedern des Instituts hat diese Ehrung im Zusammenhang mit dem 60. Geburtstag von W.A. Disler durchgeführt. Die Urkunde wurde unterzeichnet von

- Jürgen Dangl, Freiburg i.Br., Geschäftsführer
- Dr. med. Witold A. Tur, Zürich,
- Prof. Dr. Bernhard Plattner, Zürich/Aarau,
- Dr. sc. nat. Urs Erni, Aarburg,
- Dr. med. Ivan Olt, Lugano sowie von
- M.Sc. Werner A. Disler, Dr.phil.h.c.
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Info über unsere Praxis

Im Institut für medizinische Begutachtung, Promenadengasse 18, 8001 Zürich, in der psychiatrischen und psychotherapeutischen Praxis von Dr. med. Witold A. Tur und Werner A. Disler behandeln wir schwere Persönlichkeitsstörungen nach selbstpsychologischen, traumatherapeutischen und psychiatrischen Gesichtspunkten. Dr. Tur arbeitet seit über 20 Jahren u.a. als Obergerichtsgutachter. Werner A. Disler bietet ausserdem Supervision für selbstpsychologische und imaginations-therapeutische Arbeit.

Kurse und andere Angebote

An dieser Stelle werden die laufenden Kurse oder andere Angebote bekanntgegeben.

Therapiegruppe
Zur Zeit läuft neben Enzelsupervision eine halboffene Gruppentherapie, einmal wöchentlich.

Mitarbeiter gesucht
Mitarbeiter, die über eine selbstpsychologische oder verwandte Ausbildung verfügen, werden gesucht, um die Institutsarbeit auszuweiten.
Mit genügend ausgewiesenen und interessierten Persönlichkeiten liesse sich eine Aus- oder Weiterbildungstätigkeit für selbstpsychologische Psychoanalyse auf die Beine stellen. Eine solche Ausbildungsmöglichkeit würde eine Lücke schliessen.

Anmeldungen für interessierte Fachpersonen unter folgendem Formular.

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Bulletin Nr. 17, 27. Jahrgang, Juni 2007 Text von Werner A. Disler:

C.G. Jungs Intersubjektivitätstheorie
als Beispiel für eine den Gleichschaltungszwängen der Nazis entgegengesetzte Theorie

Sigmund Freud ist es Kraft seiner Autorität gelungen, Sandor Ferenczis Klinisches Tagebuch über fünfzig Jahre lang dem psychoanalytischen Publikum vorzuenthalten. Es wurde erst auf Betreiben von Michael Balint (dem bekanntesten Schüler Ferenczis) – und erst noch viele Jahre nach dem Tod Freuds veröffentlicht. Ebenso könnte man darauf hinweisen, dass seit dem Bruch zwischen Freud und Jung für die zünftigen Analytiker eine Informationssperre gegenüber den Veröffentlichungen von Jung verhängt wurde. Sehr zum Schaden der analytischen Gemeinschaft! Denn das, was heute als die modernste und wissenschaftlich fundierteste Form der Psychoanalyse beschrieben wird, nämlich die Intersubjektivitätstheorie von Atwood, Brandchaft, Orange und Stolorow, hat C. G. Jung in seinem Vortrag „Gundsätzliches zur praktischen Psychotherapie“ bereits 1935 vorweggenommen. Nur hat dies offenbar niemand bemerkt…

In den folgenden Zitaten will ich diese Behauptung belegen. Alle Zitate stammen aus diesem 1935 veröffentlichten Text. Die Seitenangaben beziehen sich auf C.G.Jung, GW Band 16, Praxis der Psychotherapie, Rascher Verlag, Zürich 1957. Die Titel zu den Zitaten sowie die Hervorhebungen durch Unterstreichung stammen von mir (W.A.D.).

Erste Formulierung der Intersubjektivität
Die Psychotherapie ist ein Gebiet der Heilkunst, das sich erst in den letzten fünfzig Jahren entwickelt und eine gewisse Selbständigkeit erlangt hat. Die Anschauungen in diesem Gebiet haben sich in mannigfacher Weise gewandelt und differenziert, und es haben sich Erfahrungen gehäuft, welche zu den verschiedensten Deutungen Anlaß geben. Der Grund hierfür liegt darin, daß die Psychotherapie nicht eine einfache und eindeutige Methode ist, als welche man sie zuerst verstehen wollte, sondern es hat sich allmählich herausgestellt, daß sie in gewissem Sinne ein dialektisches Verfahren ist, das heißt ein Zwiegespräch oder eine Auseinandersetzung zwischen zwei Personen. Dialektik war ursprünglich die Unterredungskunst der antiken Philosophien, wurde aber schon früh zur Bezeichnung des Verfahrens zur Erzeugung neuer Synthesen. Eine Person ist ein psychisches System, welches, im Falle der Einwirkung auf eine andere Person, mit einem anderen psychischen System in Wechselwirkung tritt. Diese vielleicht modernste Formulierung des psychotherapeutischen Verhältnisses von Arzt und Patient hat sich, wie ersichtlich, weit entfernt von der anfänglichen Meinung, daß die Psychotherapie eine Methode sei, die irgend jemand zur Erreichun eines gewollten Effektes in stereotyper Weise anwenden könne. Es sind nicht spekulative Bedürfnisse, welche diese ungeahnte und - ich darf wohl sagen - unwillkommene Etweiterung des Horizontes herbeiführten, sondern die harten Tatsachen der Wirklichkeit. (Seite 1)

Damit gelangen wir zur dialektischen Formulierung, welche nämlich nichts anderes besagen will, als daß psychische Einwirkung die Wechselwirkung zweier psychischer Systeme ist. Da die Individualität des Systems unendlich variabel ist, so ergibt sich daraus eine unendliche Variabilität relativ gültiger Aussagen. (Seite 3)

Introspektion und Mythos der Objektivität/Autorität des Analytikers
Da aber alles Lebendige immer nur in individueller Form vorkommt, und ich über das Individuelle des andern immer nur das aussagen kann, was ich in meinem eigenen Individuellen vorfinde, so stehe ich in der Gefahr, entweder den anderen zu vergewaltigen oder selber dessen Suggestion zu unterliegen. Ich muß daher wohl oder übel, insofern ich überhaupt einen individuellen Menschen psychisch behandeln will, auf alles Besserwissen, auf alle Autorität und alles Einwirkenwollen verzichten. Ich muß notwendigerweise ein dialektisches Verfahren einschlagen, welches nämlich in einer Vergleichung der wechselseitigen Befunde besteht. Dies wird aber erst möglich dadurch, daß ich dem anderen Gelegenheit gebe, sein Material möglichst vollständig darzustellen, ohne ihn durch meine Voraussetzungen zu beengen. Durch diese Darstellung wird sein System auf das meinige bezogen, wodurch eine Wirkung in meinem eigenen System erzeugt wird. Diese Wirkung ist das einzige, was ich in individueller Hinsicht und legitimerweise meinem Patienten gegenüberstellen kann. (Seite 4)

Diese grundsätzlichen Überlegungen bewirken also eine ganz bestimmte Haltung des Therapeuten, welche mir in allen Fällen individueller Behandlung unerlässlich , weil einzig wissenschaftlich verantwortbar erscheint. Jedes Abweichen von dieser Haltung bedeutet Suggestivtherapie, deren Grundsatz lautet: Das Individuelle bedeutet nichts gegenüber dem Allgemeinen. Zur Suggestivtherapie gehören also alle jene Methoden, die ein Wissen über oder ein Deuten von andern Individualitäten behaupten und anwenden. (Seite 4)

Da nun das Individuelle entsprechend unserer einleitenden Auseinandersetzung das schlechthin Einmalige, Unvorhersehbare und Undeutbare ist, so muß der Therapeut in diesem Fall auf alle seine Voraussetzungen und Techniken verzichten und sich auf ein rein dialektisches Verfahren beschränken, das heißt auf jene Haltung, die alle Methoden vermeidet. (Seite 6)

Intersubjektivität statt Suggestivmethoden
Wie man bemerkt haben wird, habe ich eingangs das dialektische Verfahren gewissermaßen als neueste Entwicklungsphase der Psychotherapie dargestellt.
Ich muß mich nun hier korrigieren und dieses Verfahren an seine richtige Stelle rücken:
es ist nicht etwa eine bloße Fortentwicklung früherer Theorien und Praktiken, sondern vielmehr ein völliger Verzicht auf diese zugunsten einer möglichst unpräjudizierten Haltung. Mit anderen Worten: Der Therapeut ist nicht mehr das handelnde Subjekt, sondern ein Miterlebender eines individuellen Entwicklungsprozesses. (Seite 6)

Ich möchte nicht den Anschein erwecken, als ob diese Erkenntnisse uns unmittelbar aus dem Himmel zugefallen wären. Sie haben ihre Geschichte. Obschon ich der erste war, der die Forderung erhob, daß ein Analytiker selber analysiert sein müsse, so verdanken wir doch in der Hauptsache Freud die unschätzbare Erkenntnis, daß auch Analytiker Komplexe haben und damit einen bis mehrere blinde Flecke, welche als ebenso viele Präjudizien wirken. Diese Erkenntnis hat sich der Psychotherapeut an jenen Fällen geholt, wo er nicht mehr aus den Wolken oder vom Katheder herunter, abgesehen von seiner eigenen Persönlichkeit, den Patienten deuten oder führen konnte, sondern bemerken mußte, daß seine Eigenart oder seine besondere Einstellung den Patienten an der Gesundung verhinderte. Worüber man selber keine klare Einsicht besitzt, weil man es sich selber nicht zugeben möchte, das versucht man auch beim Patienten am Bewußtwerden zu verhindern, natürlich zu dessen größtem Nachteil.
Die Forderung, daß der Analytiker selber analysiert sein müsse, gipfelt in der Idee des dialektischen Verfahrens, wo der Therapeut nämlich sowohl als Fragender wie als Antwortender in Beziehung zu einem anderen psychischen System tritt, nicht mehr als Übergeordneter, Wissender, Richter und Ratgeber, sondern als ein Miterlebender, der ebensosehr im dialektischen Prozeß sich befindet wie der nunmehr sogenannte Patient.
Eine andere Quelle der Idee des dialektischen Verfahrens ist die Tatsache der mehrfachen Deutbarkeit symbolischer Inhalte. Silberer hat zwischen der psychoanalytischen und der anagogischen, und ich zwischen der analytisch-reduktiven und der synthetisch-hermeneutischen (Gadamer veröffentlichte seine Schrift Wahrheit und Methode 1960, W.A.D.) Deutung unterschieden. (Seite 7)

Die Feststellung, daß es wesentliche Inhalte gibt, die zweifellos nicht eindeutig sind, hat darum die unbekümmerte Anwendung von Theorien und Methoden als bedenklich erscheinen lassen und daher mit dazu beigetragen, das dialektische Verfahren den feineren und gröberen Suggestivmethoden an die Seite zu stellen. (Seite 7)
Zukunft der psychoanalytischen Behandlung
Die von Freud ausgehende Differenzierung und Vertiefung der psychotherapeutischen Problematik muß logischerweise früher oder später zum Schluß kommen, daß die letzte Auseinandersetzung zwischen Arzt und Patient die Persönlichkeit des Arztes mit einbeziehen muß. (Seite 8)

In der Beziehung Arzt-Patient sind im Grunde genommen zwei psychische Systeme wechselseitig aufeinander bezogen, und daher wird jede tiefere Einsicht in das psychotherapeutische Geschehen unfehlbar zum Schluß kommen, daß in letzter Linie, das heißt insofern Indvidualität eine nicht zu übersehende Tatsache ist, die Beziehung Arzt-Patient ein dialektischer Prozeß sein muß. (Seite 8)

Es ist nun ohne weiteres ersichtlich, daß diese Erkenntnis eine ganz wesentliche Standpunktsverschiebung gegenüber den älteren Psychotherapieformen bedingt. (Seite 8)

Der Arzt als sichere Basis: Bowlbys Standpunkt vorweggenommen
In vielen Fällen tut der Arzt am besten daran, sein ganzes Rüstzeug an Methoden und Theorien abzulegen und einzig darauf zu vertrauen, daß seine Persönlichkeit genügend fest stehe, um ,dem Patienten als Richtpunkt zu dienen. Und dabei muß er erst noch die Möglichkeit ernstlich in Betracht ziehen, daß die Persönlichkeit des Patienten diejenige des Arztes unter Umständen an Intelligenz, Gemüt, Weite und Tiefe überragt. Unter allen Umständen aber ist oberste Regel eines dialektischen Verfahrens, daß die Individualität des Kranken dieselbe Würde und Daseinsberechtigung wie die des Arztes hat, und daß darum alle individuellen Entwicklungen im Patienten als gültig zu betrachten sind, insofern sie sich nicht selbst korrigieren. (Seiten 8/9)

…(Da der Patient) individuell ist, kann er nur zu dem werden, was er ist und stets war. Insofern nun «Heilung» bedeutet, daß ein Kranker in einen Gesunden verwandelt wird, so bedeutet Heilung Veränderung. Wo dies möglich ist, das heißt wo damit kein zu großes Opfer an Persönlichkeit verlangt wird, soll man auch den Kranken therapeutisch verändern. Wo aber ein Patient einsieht, daß Heilung durch Veränderung ein zu großes Opfer an Persönlichkeit bedeuten würde, kann und soll der Arzt auf Veränderung respektive Heilenwollen verzichten. Entweder muß er die Behandlung ablehnen oder sich zum dialektischen Verfahren bequemen. Dieser letztere Fall tritt häufiger ein, als man meinen sollte. In meiner eigenen Praxis habe ich stets eine größere Anzahl von hochgebildeten, intelligenten Menschen von ausgesprochener Individualität, welche jedem ernstlichen Veränderungsversuch aus ethischen Gründen den stärksten Widerstand entgegensetzen würden. In allen diesen Fällen muß der Arzt den individuellen Heilungsweg offen lassen, und dann wird die Heilung keine Veränderung der Persönlichkeit herbeiführen, sondern es wird ein Prozeß sein, den man als Individuation bezeichnet, das heißt der Patient wird zu dem, was er eigentlich ist. Er wird sogar, schlimmstenfalls, seine Neurose mit in Kauf nehmen, weil er den Sinn seiner Krankheit verstanden hat. Mehr als ein Kranker hat mir gestanden, daß er gelernt habe, seinen neurotischen Symptomen dankbar zu sein, denn sie hätten ihm stets wie ein Barometer gezeigt, wann und wo er von seinem individuellen Weg abgewichen sei, oder wann und wo er wichtige Dinge unbewußt gelassen habe. (Seite 9)

Fazit
Wir können also durchaus diese Grundsätze Jungs vergleichen mit den Aussagen der modernen Intersubjektivisten, in deren Theorien die Therapie als gemeinsame Konstruktion von Patient und Therapeut verstanden wird. Die „Erzeugung neuer Synthesen“, wie Jung sagte, entspricht dieser gemeinsamen Konstruktion. Jung spricht auch von der natürlichen introspektiven Fähigkeit (Seite 9) und, wie oben dargestellt davon, dass der Therapeut nur von dem ausgehen kann, was er in sich selbst vorfindet. Damit hat er die von Kohut und Gadamer vorgeschlagenen Bedingungen in nuce vorweg gesprochen, sich mittels Introspektion und Empathie im psychoanalytischen Prozess vorzuarbeiten.
Insgesamt sehen wir darin ein Beispiel, wie Freuds Autorität die Entwicklung der Psychoanalyse spaltete und behinderte. Heute können wir sagen, dass diese Spaltung eben dabei ist, wieder aufgehoben zu werden, weil die in dem verstreuten Fundus der psychoanalytischen Texte verborgenen Schätze allmählich aus der Versenkung wieder auftauchen. Werner A. Disler


C.G. Jung, GRUNDSÄTZLICHES ZUR PRAKTISCHEN PSYCHOTHERAPIE, Vortrag, gehalten an der Medizinischen Gesellschaft in Zürich 1935.
In: Gesammelte Werke Band 16, Rascher, Zürich 1957, Seiten 1-20


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